Reinhold Finkbeiner
(6. 8. 1929 – 20. 1. 2010)
Komponist und Organist
Großvater und Vater waren beide Architekten. Bereits vor der Übersiedlung der Familie 1939 nach Berlin erlebte Finkbeiner die brutalen Demütigungen der jüdischen Mitbürger seiner Heimatstadt durch die nationalsozialistische Diktatur, - eine Lebenserfahrung, die schon bald zu einem distanzierten Verhältnis zu Instanzen der Macht führte, vor allem aber sein Spätwerk entscheidend prägen sollte („Gewalt, Gewalt“, „Birkenau“).
Nach überstandenen Kriegswirren absolvierte er die Aufnahmeprüfung an der Berliner Musikhochschule erfolgreich. Ein weiterer Umzug der Familie nach Fulda vereitelte jedoch den Studienbeginn und Reinhold Finkbeiner begann schließlich 1949 sein Kirchenmusik- und Kompositionsstudium an der Frankfurter Musikhochschule. Seine Lehrer waren Helmut Walcha (Orgel) und Kurt Hessenberg (Komposition).
In dieser Zeit entstand u.a. auch die 2006 erstmals veröffentlichte „Sonate für Flöte und Klavier“. Finkbeiner selbst hat seine Frankfurter Studienzeit in einer Programmnotiz, die aus den 70er Jahren stammt, auf eine für ihn bezeichnende Weise so beschrieben:
„...von da an hatte der interpret zwar sehr viel studiert aber eigentlich herzlich wenig gelernt gleichwohl sich seine lehrer aufrichtig um ihn bemüht haben und immer nur sein bestes im auge hatten. Ihre namen seien deshalb aus barmherzigkeit hier gar nicht erst erwähnt.“
Seine Ausbildung ergänzte Finkbeiner in den 50er und 60er Jahren bei dem in Darmstadt lehrenden Komponisten Hermann Heiß - nach dem Krieg einer der wichtigsten Pioniere im Bereich der elektronischen Musik. Wichtige Impulse erhielt Finkbeiner auch als Teilnehmer der Darmstädter Ferienkurse von 1953 bis 1960 von René Leibowitz und Ernst Křenek. In den Konzerten der Darmstädter Ferienkurse wurden viele seiner Werke von namhaften Interpreten uraufgeführt, so zum Beispiel das „Konzert für Kammerorchester“ unter der Leitung des legendären Hermann Scherchen, das „2.Streichquartett“ durch das Parrenin-Quartett, die „Ciacona“ für Klavier (Else Stock-Hug) und die „Komposition in 5 Teilen“ (Werner Hoppstock) im Rahmen der „Tage für neue Musik“. Wichtige Interpreten dieser Zeit waren auch Günter Ludwig und der Geiger Alois Kottmann.
1964 erhält Finkbeiner den Kompositionspreis seiner Heimatstadt Stuttgart für das „Klavierkonzert“ sowie den „Prix de Composition Musicale Prince Pierre de Monaco“ für das 2. Streichtrio in der Kategorie Kammermusik.
Als Organist an der Frankfurter Peterskirche und Konzertorganist wird Reinhold Finkbeiner ab 1965 selbst zu einem der wegweisenden Interpreten und Veranstalter für neue Musik, indem er seinen Zuhörern außergewöhnliche Programmzyklen und Inhalte in aussergewöhnlichen Interpretationen präsentiert.
Finkbeiners Werkkatalog umfaßt etwa siebzig Werke. Die Besetzungen reichen vom Soloinstrument bis zum Sinfonieorchester, darunter Orgelwerke, Werke für Ensemble und Klavierwerke. Die früher von Breitkopf & Härtel vertriebenen Kompositionen Reinhold Finkbeiners sind nicht mehr erhältlich.
Viele seiner Werke sind vom Hessischen Rundfunk in Produktionen und Mitschnitten dokumentiert worden. Weitere Aufnahmen entstanden in den Studios des Südwestfunks, des Bayerischen, des Norddeutschen Rundfunks und bei Radio Montecarlo.
...der Einfallsreichtum seiner Musik spricht für sich: Hakenschlagend nutzt sie von Geräusch bis zum ironischen Klangzitat alle Möglichkeiten und offenbart dahinter stets die Sorgfalt des radikalen Aufklärer.
Kultur Spiegel 6 / 2007
Diskografie:
Deutsche Musik der Gegenwart.
Komposition in 5 Teilen,
Werner Hoppstock, Klavier,
(LP) Stereo 2 666 538 VDMK/DG,
(nicht mehr erhältlich)
Taschendiskothek 20. Jahrhundert.
Klangflächen,
Peter Schumann, Orgel,
Wergo wer 330. (nicht mehr erhältlich)
Musik in Deutschland 1950-2000.
Kirchenmusik, Sakraler Raum und Klangliches Experiment.
Klangflächen.
Peter Schumann, Orgel,
RCA 74321 73526 2.
20th. Century Piano.
Suite u.a.,
Ernst Breidenbach, Klavier,
SIG X99-00 / Note1.
Frankfurter Orgelbuch.
Drei Stückchen aus „ des ungläubigen Organisten Orgelbüchlein“,
Martin Lücker, Orgel,
CD Meli / Opus 7 114-2.
Alois Kottmann–Porträt,
Sonate für Violine solo u.a.,
Alois Kottmann, Violine,
CD Meli / Opus 7 202-2.
Finkbeiner Porträt,
33 KurzStücke für 3 Klaviere und einen Pianisten,
Birkenau. Gewalt!-Gewalt? Von Anfang an suspekt.
Verschiedene Interpreten:
hr-Sinfonieorchester, Lucas Vis, Frank Ollu, Ernst Breidenbach, Carola Schlüter,
Armin Gottstein, Reinhold Finkbeiner, Hans-Peter Schulz, Elke Saller,
hr / CAD 800 856.
Orgelwerke
Toccata pro Organo pleno, Toccata und Fuge,
Partita über den Choral „In dich hab´ich gehoffet, Herr“,
Choralfantasie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“,
Deformation eines Publikumslieblings BEWEVAU 565.
Martin Lücker, Peter Schumann, Reinhold Finkbeiner - Orgel.
hr / CAD 800 857.
Notenausgaben:
Sonate für Flöte und Klavier (oder Hammerklavier),
Zimmermann Frankfurt ZM 35330.
Des ungläugigen Organisten Orgelbüchlein,
84 Choralvorspiele,
Melibokus-Musikverlag 2006,
Vertrieb: Bodensee-Musikversand.